Wer heute Kirche mitgestaltet, bewegt sich oft zwischen Unsicherheit und Aufbruch. Die gesellschaftlichen, kulturellen und spirituellen Rahmenbedingungen wandeln sich rapide. Gleichzeitig wird weltweit neu nach der Gestalt und dem Auftrag von Kirche gefragt. Gerade in solchen Zeiten braucht es geistliche Orte, an denen wir gemeinsam auf Gottes Stimme hören – wie im Dialog im Heiligen Geist.
Synodalität beschreibt genau diese gemeinsame Suche: das Hören aufeinander und auf den Geist Gottes, das Unterscheiden im Licht des Evangeliums, das gemeinsame Gehen. Papst Franziskus betont:
Die Synodalität ist der Weg, den Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet.
Ansprache zur 50-Jahr-Feier der Bischofssynode, 17.10.2015

Damit rückt er die Haltung ins Zentrum, gemeinsam auf den Heiligen Geist zu hören, Unterscheidung zu üben und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
Der “Dialog im Heiligen Geist” ist eine Methode, die genau diese Haltung praktisch werden lässt. Sie wurde im Zuge der Weltsynode 2021–2024 als Methode verwendet und empfohlen.
Dieses gemeinsame Hören und Unterscheiden verbindet sich mit einer Haltung, die in vielen kirchlichen Erneuerungsprozessen zentral ist: aufmerksam auf das zu hören, was Gott tut – in der Welt, in Menschen, in Gemeinschaften.
Im Ansatz von Fresh Expressions heißt es: „Every Fresh Expressions journey begins with listening.“ – Hören auf Gott, auf die Menschen um uns, auf das, was gebraucht wird. Auch der Dialog im Heiligen Geist lädt genau dazu ein: mit Liebe und Offenheit wahrzunehmen, was sich zeigen will, und zu unterscheiden, wo die Stimme Gottes darin hörbar wird; etwa mit Fresh Expressions of Church oder dem pioneering-Ansatz.
Was ist der Dialog im Heiligen Geist?
Der Dialog im Heiligen Geist ist ein strukturierter geistlicher Austauschprozess, der Einzelnen und Gruppen hilft, in Gemeinschaft auf das Wirken Gottes zu hören.
Es ist eine Methode, die sich leicht und mit wenig Vorbereitung selbst erproben lässt – sei es in einer Arbeitsgruppe, einem Teamtreffen, im Gemeinderat oder bei einer Klausur. Viele haben sie bei der Tagung „Zwischen Chaos und Kairos“ kennengelernt und als inspirierend erlebt.
Er orientiert sich an drei Schlüsselhaltungen:
- Hören statt argumentieren
- Resonanz statt Reaktion
- Unterscheiden statt urteilen
Diese Haltung verbindet ihn eng mit dem Selbstverständnis von Pionier:innen, wie sie in der FreshX-Bewegung beschrieben werden: Menschen, die “als Erste die Initiative des Heiligen Geistes wahrnehmen und darauf reagieren” (Definition der Church Mission Society). Genau dieses frühzeitige, feine Hören – nicht nur im eigenen Herzen, sondern auch im Resonanzraum einer Gruppe – wird im Dialog im Heiligen Geist geübt. Es ist eine geistliche Schule für Aufmerksamkeit.
Im Folgenden stellen wir den Ablauf dieser geistlichen Praxis so vor, dass sie unkompliziert selbst angewendet werden kann.
Leitfrage als Ausgangspunkt
Jeder geistliche Dialog braucht eine klare, gemeinsam getragene Leitfrage. Sie lenkt die Aufmerksamkeit und verankert das Hören im Hier und Jetzt.
Beispielhafte Leitfragen:
- Kommen wir mit unseren bisherigen Überlegungen unserer Vision näher?
- Was sagt uns Gottes Geistkraft in Bezug auf unser Tun und unsere Vision?

Ablauf: Schritt für Schritt
Methodischer Hinweis zur Organisation: Zu Beginn jeder Kleingruppe (z. B. 4 Personen) legen die Teilnehmenden fest, wer als Erster, Zweiter, Dritter und Vierter spricht. Eine Moderation (zentral oder dezentral) gibt die Zeitansagen und fordert jeweils dazu auf, dass Sprecherin 1 beginnt, dann Sprecherin 2 usw.
Geistlicher Einstieg: Das Adsumus-Gebet
Bevor der eigentliche Ablauf beginnt, wird der Raum geöffnet für einen geistlichen Einstieg: ein Moment der Sammlung, der Ausrichtung und der Einladung an den Heiligen Geist, mitten unter uns gegenwärtig zu sein. Der “Dialog im Heiligen Geist” beginnt traditionell mit einem Gebet, das schon auf eine lange Geschichte geistlicher Entscheidungsprozesse in der Kirche zurückblickt.
Wie bei vielen synodalen Prozessen beginnt der Dialog im Heiligen Geist mit dem klassischen Gebet Adsumus Sancte Spiritus, das bereits beim Zweiten Vatikanischen Konzil gesprochen wurde (Quelle: Synodensekretariat):
Adsumus Sancte Spiritus
Wir stehen vor dir, Heiliger Geist,
versammelt in deinem Namen.
Du allein hast uns zu führen:
Mach du selbst dich in unseren Herzen zuhause.
Lehre uns den Weg, den wir gehen sollen,
und wie wir ihn gehen müssen.
Wir sind schwach und sündig;
lass nicht zu, dass wir Unordnung stiften.
Lass nicht Unwissenheit uns auf falsche Wege führen.
Gib uns die Gabe der Unterscheidung,
damit wir in dir unsere Einheit finden
und gemeinsam auf das Ziel zugehen,
das du uns verheisst. Amen.
Um dieses Gebet für unsere heutigen Ausdrucksformen zugänglicher zu machen, wurde es hier in eine moderne Sprachform übertragen:
Gebet zur Heiligen Geistkraft
Heilige Geistkraft,
wir sind hier – versammelt in deinem Namen.
Du bist unsere wahre Ratgeber:in –
komm zu uns,
sei uns nahe,
zieh ein in unsere Herzen.
Zeig uns den Weg, den wir gehen sollen,
und wie wir gut ans Ziel kommen.
Hilf uns, dass wir nicht die Orientierung verlieren –
denn wir sind verletzliche Menschen
und machen Fehler.
Bewahre uns davor,
aus Unwissenheit falsche Entscheidungen zu treffen.
Schenk uns die Gabe, gut zu unterscheiden,
damit unser Handeln nicht von Vorurteilen,
Ängsten oder falscher Rücksicht geleitet wird.
Führe uns zu echter Einheit,
damit wir auf dem Weg von Wahrheit und Gerechtigkeit bleiben
und Schritt für Schritt dem Leben in Fülle entgegengehen.
Das bitten wir dich,
du wirkst zu jeder Zeit und an jedem Ort,
in der Gemeinschaft mit Gott, der Quelle allen Lebens,
und mit Jesus, dem Christus –
jetzt und in Ewigkeit.
Amen.
1. Schritt: Das Wort ergreifen
Ziel: Die eigene Erfahrung zur Leitfrage teilen. Nicht diskutieren, sondern mitteilend sprechen.
Ablauf:
- Reihum spricht jede:r für 2 Minuten.
- Ausgangspunkt ist das eigene Hören auf die Wirklichkeit.
Nachdem jede:r einmal gesprochen hat: Stille (2 Minuten).
2. Schritt: Dem Anderen Raum geben
Ziel: Resonanz ausdrücken. Was hat mich bewegt? Was klingt in mir nach?
Ablauf:
- Wieder reihum (ca. 2 Minuten pro Person).
- Keine Bewertung, sondern innere Bewegung beschreiben.
Nachdem jede:r einmal gesprochen hat: Stille (2 Minuten):
3. Schritt: Gemeinsam aufbauen
Ziel: Gemeinsam erkennen, was jetzt dran ist. Was nimmt die Gruppe wahr?
Hinweis: Es kann hilfreich sein, sich in dieser Phase als Kleingruppe auf zwei Punkte zu verständigen, die man gemeinsam festhalten möchte – das müssen nicht unbedingt eigene Beiträge sein. Diese können dann in einem möglichen vierten Schritt in der Gesamtgruppe geteilt werden.
Ablauf:
Freier Austausch anhand folgender Fragen:
- Wohin führt uns der Heilige Geist?
- Welche Stimmen waren prophetisch?
- Welche ersten Schritte könnten wir gemeinsam gehen?
4. Schritt: Teilen in der Gesamtgruppe (optional)
Ziel: Ergebnisse der Kleingruppen zusammenführen, Resonanzräume öffnen, Schritte weiterdenken.
Ablauf:
- Jede Kleingruppe bringt ein oder zwei ausgewählte Punkte aus dem dritten Schritt in die große Runde ein.
- Gemeinsam wird dazu beraten und sich ausgetauscht
Dieser vierte Schritt hilft, das Gehörte zu bündeln und eventuell weiterführende Fragen oder Impulse sichtbar zu machen.
Fazit: Hören üben, Kirche gestalten
Wer heute mit Kirche unterwegs ist, begegnet Spannungen und offenen Fragen – zwischen Chaos und Kairos, zwischen dem, was brüchig wird, und dem, was sich neu zeigt. In solchen Übergängen braucht es Räume, in denen Menschen sich gemeinsam ausrichten, hören und unterscheiden. Der Dialog im Heiligen Geist ist ein solcher Raum: ein geistlicher Resonanzraum, der Orientierung gibt, ohne vorschnelle Antworten zu liefern.
Diese Methode ist kein Add-on, sondern kann zur tragfähigen Grundlage werden für Prozesse des Aufbruchs. Sie fördert ein Hören, das nicht nur Einzelne stärkt, sondern Gemeinschaft formt. Gerade dort, wo wir tastend unterwegs sind – in pionierhaften Projekten, in Teams, auf Leitungsebene oder vor Ort – hilft diese Form des geistlichen Dialogs, Gottes Spuren im Konkreten zu entdecken und gemeinsam mutige nächste Schritte zu gehen.
Weitere Informationen, Impulse und Erfahrungsberichte finden sich z. B. im Rückblick zur Veranstaltung „Zwischen Chaos und Kairos“ auf der Website des Innovationsbüros des Bistums Speyer:
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